IMMERstory – Holzschleifer
Wandmalerei auf Holz: Wie Antoine Guignard Gebäuden Leben einhaucht
Antoine Guignard erweckt mit Schleifmaschinen und -papier Holzfassaden zu neuem Leben. Auf diese Weise hat er rund hundert Kunstwerke weltweit erschaffen.
Im Gespräch erläutert der Waadtländer Holz-Wandmalerei-Künstler, wie er auf die Technik des Kunstschleifens gekommen ist, wie der Entstehungsprozess eines Wandgemäldes verläuft und was ihm als Inspiration für seine Kunst dient.
Wie sind Sie auf die Technik des Kunstschleifens gekommen?
Bei der Renovation eines Bauernhauses vor rund elf Jahren habe ich dunkel gestrichene Innenwände abgeschliffen und festgestellt, dass ich dabei zeichnen kann. Ein paar Jahre später hat mir dann ein Kollege während eines Gesprächs über diese Erfahrung angeboten, dasselbe auf seiner 80 Quadratmeter grossen Scheune auszuprobieren. Er mietete ein Hängebühne und wir stellten nach einem Tag fest, dass es tatsächlich funktioniert. So hat alles begonnen.
Handelte es sich also um puren Zufall?
Ich habe schon immer gezeichnet und verschiedene Techniken ausprobiert – als Kind regelmässig Porträts abgezeichnet und in meiner Jugend damit begonnen, Gesichter von Menschen zu sprayen –, bis ich dann realisiert habe, dass ich der einzige Künstler weltweit bin, der Holzwände mit der Schleifmaschine bearbeitet.
Wie verläuft der Entstehungsprozess eines solchen Wandgemäldes und was für Werkzeuge kommen zum Einsatz?
Zuerst skizziere ich mit herkömmlichem Schleifpapier das Motiv auf die Wand. Sobald mir die Skizze gefällt, beginne ich mit den Schleifmaschinen zu arbeiten – je mehr ich abschleife, desto heller werden die Farbtöne. Ich benutze auch Schleifpapier mit unterschiedlicher Körnung, um verschiedene Farbabstufungen zu erzielen und gleichzeitig zu vermeiden, dass die Kontraste zu gross werden. So erreiche ich schliesslich die Farbtöne, die ich mir vorgestellt habe.
Und welche Maschinen kommen neben dem Schleifpapier zum Einsatz?
Ich benutze jeweils einen Scheiben- und Dreiecksschleifer, für kleinere Formate auch eine Mini-Schleifmaschine.
«Je mehr ich abschleife, desto heller werden die Farbtöne.»
Antoine Guignard
Welche Holzarten sind am besten geeignet? Oder spielt das überhaupt keine Rolle?
Grundsätzlich eignen sich alle Holzarten dafür. Am liebsten mag ich allerdings Lärchenholz, weil man damit wirklich viele verschiedene Farbtöne erzielen kann – von Dunkelbraun, Rot und Weiss bis hin zu Gelb und Orange. Ausserdem beeinflusst die Maserung des Holzes die Qualität und Genauigkeit der Strichführung. Ich arbeite am liebsten mit der Maschine auf grossen Oberflächen, kleinere Bilder stelle ich hingegen selten her.
Gibt es besondere Herausforderungen oder Schwierigkeiten, die bei dieser Technik auftreten?
Nein, nicht wirklich. Es passiert alles instinktiv. Herausfordernd kann lediglich sein, wenn zum Beispiel Türen oder Fensterläden ins Kunstwerk integriert werden müssen.
Die Hauptschwierigkeit besteht also darin sich vorzustellen, wie genau man die Zeichnung auf der zur Verfügung stehenden Oberfläche anbringen möchte?
Genau.
Woher kommen die Ideen für die Motive?
Ich lasse mich vom Ort und der Beschaffenheit der Oberfläche inspirieren, die mir zur Bearbeitung zur Verfügung steht. Das Ausbildungszentrum für angehende Schreinerinnen und Zimmermänner in Delsberg weist beispielsweise eine ausgesprochen langgezogene Fassade auf. Ich musste mir also ein Sujet einfallen lassen, das zum Ort passt und auf dieser Oberfläche umsetzbar ist.
Was diente als Vorlage für das Wandgemälde in Delsberg?
Als Vorlage für meine Porträts greife ich inzwischen immer auf Freunde oder Verwandte zurück, da es mir durch den emotionalen Bezug zu den Personen leichter fällt, diese zu visualisieren. Zudem mag ich es, Kinder zu zeichnen, weil sie für die Zukunft, Spontanität und Sorglosigkeit stehen. Und ich möchte auf eine poetische Art und Weise die Frage aufwerfen, ob man sich das als Erwachsener nicht auch ein wenig wünscht zu bewahren.
Und wie genau sind Sie beim Porträtieren der beiden Kinder vorgegangen?
Für das Projekt in Delsberg habe ich ein Fotoshooting mit ihnen gemacht und die Skizze für das Wandgemälde anhand verschiedener Fotos erstellt.
Welche Botschaften sollen durch die Gemälde vermittelt werden?
In diesem Jahr habe ich mich vor allem mit Gottheiten beschäftigt. Das heisst, ich habe versucht, sie auf meine Weise zu erschaffen, also Gottheiten der Natur, der Felder, des Waldes, der Berge. Es ist mir wichtig, dass die Botschaft auf eine poetische Art und Weise vermittelt wird. Da Holz ein edles Material ist, möchte ich es ausserdem nicht benutzen, um etwas darzustellen, sondern vielmehr damit arbeiten.
Ich möchte mit meiner Kunst keine politischen Botschaften oder Werbung transportieren. Das hat auch mit Respekt gegenüber dem Material zu tun. Ich verändere gewissermassen das Holz, ohne etwas hinzuzufügen.
Gibt es eine Anekdote, die veranschaulicht, wie die Leute auf die Kunstwerke reagieren?
Ich hielt mich vor ungefähr anderthalb Jahren in Marokko in einem kleinen Fischerdorf auf, wo die Leute ausschliesslich vom Fischfang lebten und ihre Hütten aus dem bauten, was sie am Strand fanden. Zu Beginn waren sie damit einverstanden, dass ich mich im Dorf aufhielt und die Dorfbewohner auf Holzbrettern porträtierte. Nach ein paar Tagen hat sich dies jedoch geändert, weil mein Aufenthalt auch Besucherinnen und Besucher in das Dorf brachte, die mit der Armut der Leute konfrontiert wurden. Ein Übersetzer musste den Bewohnerinnen und Bewohnern des Dorfes dann erklären, dass dies nicht meine Absicht war, sondern ich ihnen mit meiner Kunst etwas anbieten wollte. Sobald sie dies verstanden hatten, freuten sie sich, brachten mir Fisch und wir tranken Tee zusammen. Das war eine wirklich tolle Erfahrung.
Begeben Sie sich mit der Schleifmaschine im Rucksack auf Reisen, um zu schauen, ob sich Orte für diese Kunstform anbieten?
Genau. Auf diese Weise sind bereits rund hundert Kunstwerke entstanden, hauptsächlich in Europa, jedoch auch in Nordamerika oder – wie im letzten Jahr – in Russland und Georgien.
Haben Sie bestimmte Ziele oder Visionen für die Zukunft?
Grundsätzlich nicht. Es ist das Hier und Jetzt, das für mich zählt. Man wird sehen, wo mich der morgige Tag hinbringt.
Gibt es keine grösseren Projekte oder Kooperationen?
Natürlich würde ich gerne ein grosses Projekt umsetzen. Die Schwierigkeit besteht jedoch darin, dass sehr wenige grosse Gebäude aus Holz existieren. Aber nur schon aufgrund der künstlerischen Herausforderung würde mich ein grösseres Projekt selbstverständlich reizen.
Können Sie eigentlich inzwischen von der Kunst leben? Und falls ja, welcher beruflichen Tätigkeit sind Sie früher nachgegangen?
Ja, ich habe das Glück, dass ich davon leben kann, die Projekte auswählen und einige davon finanzieren kann. Ich bin gelernter Landschaftsgärtner.
Weiterführende Informationen zum Künstler sind auf seiner Facebook- und Instagramseite zu finden.
Unsere Spezialisten
rund um den Holzbau